Eine Frau mit lockigen Haaren und Brille trägt ein rotes Oberteil. Sie schaut ernst in die Kamera und hebt ihre Hand nach vorne in einer Stop-Geste. Der Hintergrund ist neutral.

Zwangsheirat: (K)ein Thema in Österreich?

Zwangsheirat ist ein Phänomen, das weltweit existiert – auch in Österreich. Betroffene stehen oft in einem Loyalitätskonflikt zur Familie, was es für sie schwierig macht, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wie sieht die Situation in Österreich aus, und was können Außenstehende tun, um zu helfen?

Zahlen und Hintergrundinformationen

Hunderte Fälle von Zwangsheirat oder verwandtschaftsbasierter Geschlechtergewalt bedrohte oder bereits betroffene Mädchen und Frauen wenden sich jährlich an die spezialisierten Beratungsstellen in Österreich. Von einer weit höheren Dunkelziffer ist nach Einschätzung von Expertinnen und Experten jedoch auszugehen.

Das österreichische Strafrecht sieht seit 2016 einen eigenen Straftatbestand zu Zwangsheirat (§ 106a StGB) vor. Die Tat kann mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden.

Anzeichen erkennen

Mädchen und Frauen, die von Zwangsheirat betroffen oder bedroht sind, fällt es oft sehr schwer sich jemandem anzuvertrauen, denn die Täter und Täterinnen kommen häufig direkt aus der Familie. Umso wichtiger ist ein achtsames Umfeld. Insbesondere Lehrkräfte sollten aufmerksam sein, wenn sie Verhaltensänderungen bei Schülerinnen bemerken.

Warnsignale für eine (drohende) Zwangsheirat sind unter anderem nachlassende Schulleistungen oder Fernbleiben vom Unterricht, Einschränkungen und Kontrollen - beispielsweise durch Verbote von Freundschaften und Liebesbeziehungen - Kleidungsvorschriften oder Handyabnahmen. Auch andere Gewalterfahrungen sowie Zwangsverheiratungen im familiären Umfeld sind Risikofaktoren. Die Situation wirkt sich zudem häufig auf die Gesundheit der Betroffenen aus, so können selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität sowie psychische Beschwerden und Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen auf eine (drohende) Zwangsheirat hindeuten.

Eine Liste mit Warnsignalen kann auf der Website der Caritas Wien abgerufen werden.

Unterstützung durch spezialisierte Beratungsstellen

In Österreich gibt es mehrere auf Zwangsheirat spezialisierte Einrichtungen, die betroffenen oder bedrohten Mädchen und Frauen umfassende Unterstützung anbieten. Diese reicht von psychosozialer Beratung und Betreuung über rechtliche Information bis hin zum Ergreifen von Schutzmaßnahmen und einer sicheren Unterbringung.

In Wien bietet der Verein Orient Express neben Beratung in der Einrichtung auch eine anonyme Online-Beratung an. Der Verein betreibt zudem eine Notwohnung und eine Übergangswohnung mit geheimer Adresse. Im Westen Österreichs können sich Betroffene an die Fachstelle Zwangsheirat der Innsbrucker Frauenberatungsstelle Frauen aus allen Ländern wenden. In der Steiermark steht die Einrichtung DIVAN als spezialisierte Anlaufstelle zur Verfügung.

Zusätzlich gibt es mit dem Nationalen Kompetenzzentrum gegen Verschleppung und Familiengewalt des Vereins PeriFeri eine österreichweit zentrale Anlaufstelle bei Fällen von Verschleppungen ins Ausland im Kontext von Familiengewalt.

Auch Helfende und Fachpersonen können sich an die genannten Stellen wenden. Das Angebot umfasst überdies Schulungen und Workshops, etwa für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren oder Schulklassen.

Darüber hinaus steht ein österreichweites breites Netz an Frauen- und Mädchenberatungsstellen und Opferschutzeinrichtungen als Erstanlaufstelle zur Verfügung, das im Bedarfsfall an eine spezialisierte Stelle weiterverweist.

Gemeinsam gegen Zwangsheirat

Jede Einzelne und jeder Einzelne kann dazu beitragen, betroffene Mädchen und Frauen zu schützen und zu unterstützen – unter anderem durch vertrauliche Gespräche und Aufmerksamkeit sowie die Vermittlung professioneller Hilfe. Wenden Sie sich bei Unsicherheiten an eine der spezialisierten Stellen. Sie können damit einen Beitrag leisten, Betroffene vor einem Leben in Zwang zu bewahren und ihre Selbstbestimmung zu schützen.

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